WestLB – Warten auf die Abfindung

Februar 2012

Flucht von der WestLB: Junge Leistungsträger und hochrangige Manager verlassen die einst mächtige Landesbank, die kurz vor der Abwicklung steht. Alteingesessene Mitarbeiter hoffen derweil auf den goldenen Handschlag.

Düsseldorf – Spannende Jobs in spannenden Zeiten – das verspricht die Karriereseite der WestLB potenziellen Bewerbern auf fröhlich blinkenden Werbebannern. Als Top-Arbeitgeber 2011 sei man gerade ausgezeichnet worden. Vielfältige Aufgaben, herausfordernde Projekte, neue Themen: “Es gibt mehr als einen Grund, warum Sie bei uns anfangen sollten”, lockt die Düsseldorfer Landesbank auf ihrer Website. Neue Themen und herausfordernde Projekte gibt es bei der WestLB derzeit in der Tat: Es gilt, innerhalb der kommenden fünf Monate eine ganze Bank abzuwickeln.

Ab dem 1. Juli 2012 wird die WestLB Geschichte sein. Übrig bleiben dann eine Bad Bank, die den Namen “Erste Abwicklungsanstalt” (EAA) trägt – außerdem eine “Verbundbank” für das Sparkassengeschäft, die an die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) verkauft wird. Und eine Art Servicegesellschaft, die unter neuem Namen Rechtsnachfolgerin der alten WestLB wird. Sie soll für die neue Verbundbank sowie für die eigene und externe Bad Banks Wertpapier- und Kreditportfolios verwerten und verwalten. In diesen Restbanken wird allerdings nicht einmal die Hälfte der mehr als 4000 WestLB-Mitarbeiter unterkommen.

Die Bank hat zwar versprochen, bis Ende dieses Jahres auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten – damit man in Ruhe die Umstrukturierung angehen könne, heißt es. Bis zum Jahr 2016, wenn auf Anweisung der EU-Kommission auch die neue Service-Gesellschaft verkauft werden soll, will die Bank allerdings um rund 2.500 Mitarbeiter schrumpfen.
Für junge Leistungsträger und hochrangige Manager ist die Aussicht, bis zum bitteren Ende der Abwicklung dabeizubleiben, offenbar ohnehin wenig verlockend. Ein Spitzenmanager nach dem anderen verabschiedet sich: Jüngster Flüchtling ist Kapitalmarktvorstand Klemens Breuer, der “auf eigenen Wunsch und in bestem Einvernehmen” geht, wie die Bank diese Woche meldete. Einen neuen Kapitalmarktvorstand leistet sich die in Auflösung befindliche Landesbank nicht mehr – Firmenkundenvorstand Werner Taiber übernimmt ab Februar Breuers Aufgaben.
Nicht ganz so lang wie der Kapitalmarktexperte hielt es Finanzvorstand Hans- Jürgen Niehaus aus: Er wechselte bereits im Sommer 2011 zur Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte. Auch Ernst Eichenseher, Bereichsvorstand Marktrisikomanagement, Martin Mierswa, Leiter Corporate Debt Finance, und Kreditsyndizierungs-Experte Richard Hill verließen bereits im vergangenen Jahr das sinkende Schiff.

Nur verständlich, findet Tiemo Kracht, Geschäftsführer der Personalberatungsgesellschaft Kienbaum. “Es gibt in solchen dramatischen Umbruchsituationen, in denen die Zukunft eines Unternehmens so unklar ist, im Wesentlichen zwei Typen von Mitarbeitern”, erklärt er.

Erstens diejenigen, die angesichts immer neuer Hiobsbotschaften lieber selbst aktiv würden, statt sich von den Geschehnissen treiben zu lassen – und deshalb früh beginnen, sich nach attraktiveren Jobs umzuschauen. “Das sind in der Regel nicht die schlechtesten Mitarbeiter. Sondern diejenigen, die auch anderswo schnell und gern eingestellt werden.”
Zweitens blieben diejenigen Mitarbeiter, die sich an ihren Job klammerten, so lange es geht. “Beziehungsweise bis ihnen das Unternehmen den erhofften goldenen Handschlag in Form einer großzügigen Abfindung anbietet.”

Spezialisten für das Risikomanagement gesucht: Der goldene Handschlag für altgediente Mitarbeiter könnte die Eigner der WestLB, also die Sparkassen und das Land Nordrhein-Westfalen, allerdings teuer zu stehen kommen. “Die Mitarbeiter der WestLB sind ja durch diverse Krisen schon leidgeprüft, viele der jüngeren Mitarbeiter sind in den vergangenen Jahren bereits gegangen”, sagt Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. Faust hat selbst einst seine Bankausbildung bei der WestLB absolviert und beobachtet den Niedergang der einst stolzen Landesbank seit langem. “Die Mitarbeiter, die jetzt noch da sind, sind oft langjährige, altgediente Mitarbeiter”, sagt Faust. Mit der Perspektive Abwicklung vor Augen sinke deren Motivation nun immer weiter.
“Dennoch ist es natürlich schwierig für die Bank, diese Mitarbeiter loszuwerden – und gerade die langjährigen Mitarbeiter haben noch extrem großzügige Arbeitsverträge.” So sei es etwa früher üblich gewesen, dass die Bank für Mitarbeiter, die länger als zwanzig Jahre im Betrieb waren, Sozialversicherungskosten übernommen habe. “Die Abfindungen für diese Mitarbeiter und ihre Pensionszusagen werden entsprechend teuer.” Das könnte auch potenzielle Käufer abschrecken, Teile der WestLB zu übernehmen. “Die alteingesessenen Mitarbeiter sind ein enormer Kostenfaktor. Gleichzeitig haben junge, qualifizierte Kräfte die Bank verlassen und fehlen nun.”
Ersatz für die jungen Leistungsträger zu finden, könnte indes schwer werden. Auf ihren Karriereseiten sucht die WestLB derzeit nach Spezialisten für das Risikomanagement. “Die sind aber gerade in allen Banken sehr gefragt, weil sie die schärfere Finanzmarktregulierung umsetzen müssen”, sagt Wilhelm-Christian Helkenberg, Managing Partner der Münchener Personalberatung Heads.
Ein Ansturm auf Stellen bei der WestLB sei daher kaum zu erwarten. Im Gegenteil: Konkurrenten und Headhunter haben die verbliebenen WestLBler ins Visier genommen. “Viele Mitarbeiter warten jetzt offenbar erst einmal ab, wie die Abfindungen geregelt werden, bevor sie sich nach neuen Stellen umschauen oder auf die Angebote von Headhuntern eingehen”, sagt Helkenberg.

Auch mancher potenzielle Käufer für Teile der WestLB könnte sich denken: Warum einen Unternehmensteil kaufen, wenn man auch einfach die Mitarbeiter und Kunden abwerben kann?
Die WestLB werde daher auf jeden Fall in den kommenden Monaten einen Aderlass erleben, vor allem bisher noch zögerliche junge Talente würden das Unternehmen jetzt verlassen, meint Thomas von Ciriacy-Wantrup, auf die Finanzbranche spezialisierter Personalberater bei Fricke Finance & Legal in Frankfurt. “Es ist zu beobachten, dass sich jetzt einige Konkurrenten der WestLB stärker in der Region Düsseldorf engagieren und ihre Firmenkunden-Teams ausbauen”, berichtet er. “Wie viele Mitarbeiter der WestLB der Markt aufnehmen kann, ist aber fraglich. Viele werden in der Region keinen neuen Job finden.”

Autorin: Sarah Sommer