Everything pörfect: Wahrheit und Lüge rund um die Englischkenntnisse

November 2011

eFinancialCareers.de

Nirgends wird im Lebenslauf so viel geschummelt wie bei den
Sprachkenntnissen. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine Umfrage des
Beratungsunternehmens Robert Half unter Personalprofis. Demnach gaben 43
Prozent der Befragten an, dass bei den Sprachkenntnissen am ehesten
übertrieben werde.

„Viele Kandidaten überschätzen ihre Englischkenntnisse maßlos“, beobachtet
auch Executive Search-Expertin Mirja Linke von Deininger Consulting. Denn in
der englischen Sprache werde das Konversationsniveau schneller erreicht als
beispielsweise in Französisch. „Wenn die Konzernsprache jedoch Englisch ist
und komplexere Sachverhalte besprochen werden müssen, dann reichen solche
Kenntnisse nicht mehr aus“, ergänzt Linke.

Zwar rät Linke jedem, möglichst gute Englischkenntnisse zu erwerben, dennoch
müsse die Sprache nicht immer perfekt beherrscht werden. „Oftmals sprechen
Sie mit Leuten, die ebenfalls keine Muttersprachler sind. Dann fällt vieles
leichter“, ergänzt Linke.

Auch eine Frage der Unternehmenskultur

Laut Patrick Riske von Fricke Finance & Legal fallen die Anforderungen
unterschiedlich aus. „Das kommt ganz auf die Funktionsbereiche und auch die
Unternehmen an“, erklärt der Executive Search-Experte. Wer z.B. bei
einschlägigen deutschen Häusern in Funktionen arbeitet, die kaum internationale
Kontakte erfordern, komme oftmals mit Schulkenntnissen zurecht.

Bei angelsächsischen Instituten führe an Englischkenntnissen indes kein Weg
vorbei – selbst wenn dies für den eigentlichen Job gar nicht erforderlich wäre.
„Da geht es vielmehr um die Frage: Passt Du zu unserer Unternehmenskultur
oder nicht“, ergänzt Riske.

Stellenanzeigen fordern exzellente Englischkenntnisse, obgleich das für den Job
nicht erforderlich ist

Headhunter Gunnar Belden von DIS Consulting beobachtet, dass in vielen
Jobanzeigen standardmäßig erstklassige Englischkenntnisse verlangt werden,
obgleich dies für den Job keinesfalls zwingend erforderlich ist. Wenn Kandidaten
dann ihre Kenntnisse wahrheitsgemäß als „nicht verhandlungssicher“ bewerten,
müsse dies nicht unbedingt ein Ausscheiden im Bewerbungsprozess mit sich
bringen.

Riske betont, dass sich nicht jeder Arbeitgeber auf die Angaben im Lebenslauf
verlasse. Manche Bewerber schrieben „verhandlungssicher“ und könnten sich
kaum verständlich machen, andere bewerten ihre Englischkenntnisse als
„befriedigend“ und beherrschen die Sprache souverän.

Englischkenntnisse lassen sich an Arbeitgebern und Auslandsaufenthalten
ablesen

„Recruiter achten im Lebenslauf vor allem auf zwei Punkte, um die
Englischkenntnisse eines Kandidaten abzuschätzen: Hat der Kandidat bei einem
internationalen Haus gearbeitet oder hat er längere Auslandsaufenthalte
absolviert“, ergänzt Riske. Doch auch dies sei kein Garant für gute
Englischkenntnisse. Im Zweifelsfall werde im Vorstellungsgespräch einfach zu
Englisch übergegangen.

Auch Belden rät von falschen Angaben dringend ab. „Es gehört heute zum
Standardprogramm eines guten Vorstellungsgesprächs, dass Sprachkenntnisse
abgefragt werden. Wenn die Angaben aus dem Lebenslauf nicht stimmen, bringt
das beide Seiten in Verlegenheit“, ergänzt der Headhunter. Bei DIS Consulting
werde in jedem Bewerbungsgespräch Englisch gesprochen.

Crashkurs stellt keine Lösung dar

Allerdings gebe es keine einheitliche Sprachregelung zur Bewertung von
Sprachkenntnissen. Belden rät zu dem Fünferschema: Muttersprache,
verhandlungssicher (arbeitsfähig auf dem Niveau eines Muttersprachlers),
fließend (in der Lage auf Englisch zu arbeiten), gut (kann sich sicher
verständigen) und Grundkenntnisse (es reicht zum Austausch von
Höflichkeitsformeln). Weniger hält Belden von Unterscheidungen wie
„gesprochen, gehört, geschrieben“, da dies nur für zusätzliche Verwirrung sorge.

Riske berichtet von einem weiteren Problem: „Ich erlebe es immer wieder, dass
Kandidaten sagen, dass sie bis zum Arbeitsantritt noch Englisch in einem
Crashkurs lernen könnten“. Diese Strategie sei indes zum Scheitern verdammt.
„Darauf lässt sich kein Arbeitgeber ein. Es zählt allein der Ist-Stand.“