Banking Jobs 2011: Aktuelle Trends aus dem Arbeitsmarkt der Finanzindustrie

Juni 2011

Die Arbeitslosenzahl in Deutschland ist während der ersten Jahreshälfte 2011
unter drei Millionen gesunken. Auch Indikatoren wie der Zeitarbeitsindex des
Instituts der deutschen Wirtschaft oder der Bankenindikator Frax zeigen die
Belebung am Arbeitsmarkt. Wie ist die Lage in der Finanzindustrie? Was bringt
das zweite Halbjahr für den Arbeitsmarkt bei Banken und Versicherungen?
Welche Faktoren beeinflussen das Recruiting in der Finanzbranche, wo wird
noch eingestellt? Und ist der Aufschwung von Dauer? eFinancialCareers hat drei
Praktiker zu ihren Ansichten befragt.

Laut IW-Zeitarbeitsindex ist die Zahl der Zeitarbeitnehmer von Februar auf März
2011 um 1,5 Prozent gesunken. Die meisten Zeitarbeitsfirmen melden aber
gestiegene Nachfrage. Wie passt das zusammen? Die Verleiher haben laut IW
zunehmend Probleme, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden, die
Übernahme von Zeitarbeitern durch Kundenunternehmen scheint zu steigen.
Eine überdurchschnittliche Übernahmequote hat das IW bei kleinen, hoch
spezialisierten Zeitarbeitsfirmen festgestellt, die meist höher qualifiziertes
Personal vermitteln wie in der Finanzbranche. 89 Prozent der Zeitarbeitsfirmen
erwartet bis Herbst eine steigende Mitarbeiterzahl.

Geschäftsklima am Finanzplatz ist sehr gut

Dazu passt das gute Geschäftsklima in der deutschen Finanzbranche. Der
Finanzplatzindex des Center for Financial Studies an der Goethe-Universität in
Frankfurt ist im zweiten Quartal auf 115,9 Punkte gestiegen. Das ist das Niveau
des Jahresbeginns 2008, die Lehman-Krise scheint überwunden. Steigende
Investitionen (+ 7,2 Punkte) und Mitarbeiterzahlen (+3,9 Punkte) melden vor
allem finanzplatzorientierte Dienstleister. Die Kerngruppe der Finanzinstitute
samt Börse hatte allerdings rückläufige Werte, abgesehen von den Investitionen.
Hier liegen auch die Erwartungen für das zweite Quartal (111,6 Punkte) unter der
Beurteilung des ersten Quartals (112,3 Punkte), das allerdings
überdurchschnittlich war.

Sorgen macht die künftige Bedeutung des Finanzplatzes Deutschland: Eine
wichtige Rolle spielt neben der Diskussion um den Börsenstandort
möglicherweise auch die Unsicherheit über die künftige Struktur der deutschen
Bankenindustrie, sagt CFS-Direktor Professor Dr. Jan Pieter Krahnen. Im ersten
Quartal war der CFS-Index für die Beschäftigtenzahlen erstmals seit Oktober
2008 über den Stand von 100 Punkten geklettert dies ist das neutrale Niveau.
Maximal kann der Index den Wert von 150 Punkten annehmen, das Minimum
sind 50 Punkte.

Fusionen kosten Jobs

Die Fusion aus Deutscher Börse und NYSE ist derzeit in Frankfurt
beherrschendes Thema. Nicht nur Gewerkschaften und Betriebsrat, auch
Vertreter der Politik aus Stadt und Land befürchten Stellenabbau in vierstelliger
Höhe. Die Deutsche Börse dementiert und nannte diese Zahl völlig überzogen –
was letztlich heißt: Es wird abgebaut, aber weniger. Auch anderweitig ist
Stellenabbau ein Thema, dem guten Klima zum Trotz: Versicherer Talanx will
laut Medieninformationen 1000 Stellen kappen. Das Unternehmen hat
Kürzungen bestätigt, aber keine Höhe genannt. Bei der Commerzbank sind bis
Ende März 5300 Mitarbeiter weggefallen, insgesamt ist ein Abbau von 7400
Stellen bereits vereinbart. Das bedeutet aber auch, dass noch weitere 1600
Angestellte gehen müssen, um das im Zuge der Dresdnerbernahme
angekündigte Sparziel von 9000 Stellen bis Ende 2012 zu erreichen.
Schwerpunkte des Abbaus sind Privatkundengeschäft und Investmentbanking,
geschont werden die Geschäfte in Osteuropa und mit dem Mittelstand.

Auch die LBBW reduziert Personal. Angekündigt sind Einsparungen von 2500
Stellen bis 2013, davon waren 1250 bis Ende April bereits vereinbart. Fehlen
also noch 1250 Stellen, nachdem 2010 bereits fast 600 entfallen sind. Ähnlich
die WestLB, die 2010 fast 500 Stellen strich. Hier scheinen sich Vorstand und
Mehrheitseigentümer aber noch nicht einig über die künftige Ausrichtung, von
der auch der Personalbestand abhängt. Derzeit sind Streichungen zwischen
1500 und 3000 Stellen in der Diskussion. Auch die Deka-Bank spart beim
Personal, wenn auch in viel geringerem Umfang: Insgesamt 350 Stellen sollen
bis Jahresende auf freiwilliger Basis entfallen, über 230 Mitarbeiter haben bereits
ein Angebot angenommen. Stellenabbau gibt es paradoxerweise auch dann,
wenn Mitarbeiterzahlen steigen, wie die HypoVereinsbank 2010 zeigte. Offiziell
legte die Mitarbeiterzahl um 1,4 Prozent oder 1000 Stellen zu. Der Grund war
aber nur ein erweiterter Konsolidierungskreis. Tatschlich sind gut 100 Jobs im
Investmentbanking, über 370 im Privatkundengeschäft und fast 330 bei
Geschäftskunden gespart worden, in Summe genau 800 Stellen.

Banken expandieren und stellen ein

Aber es gibt auch die guten Nachrichten: Die europäische Versicherungsaufsicht
Eiopa wird bis Ende 2011 gut 20 Stellen in Frankfurt schaffen, bis 2014 weitere
70. Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater erwartet 2011 ein
Umsatzplus von 10 Prozent für Personalberater aus dem Bankbereich und von
8,2 Prozent für auf Versicherungen spezialisierten Headhunter. Auch Credit
Suisse hat Stellenaufbau angekündigt, die gestiegenen regulatorischen
Anforderungen würden für 100 neue Jobs sorgen. Außerdem soll in den
Bereichen Rohstoffe und Emerging Markets expandiert werden. UBS hat im
ersten Quartal die Mitarbeiterzahl um fast 800 erhöht und die Targobank plant
zehn neuen Filialen und sucht derzeit 140 Mitarbeiter für die
Vermögensverwaltung. In Frankfurt hat die staatliche KfW im Mai ein neues
Erweiterungsgebäude für 440 Mitarbeiter eingeweiht.

Auch die Deutsche Bank als nationaler Branchenprimus und auch global
führendes Institut ist auf Wachstum beim Personal eingestellt. Anke Kirn, Leiterin
Resourcing Deutschland sagt: Wir sind mit der Übernahme von Postbank, Sal.
Oppenheim sowie Teilen des Firmenkundengeschäfts von ABN Amro in den
Niederlanden beim Personal in allen Geschäfts- und Infrastrukturbereichen sehr
gut aufgestellt. Ende 2010 betrug die Anzahl der Mitarbeiter im Deutsche Bank-
Konzern mehr als 102.000 Vollzeitstellen. Trotzdem stellt die Bank weiter ein und
sucht vor allem junges Personal: Im Interesse einer langfristigen
Nachwuchsplanung stellt die Deutsche Bank weltweit jedes Jahr etwa 700
Trainees für ihre Geschäfts- und Infrastrukturbereiche ein, davon etwa 200 in
Deutschland, so Kirn. Rund die Hälfte der Trainees arbeitet in der
Kundenberatung oder in beratungsnahen Bereichen. Derzeit suchen wir noch
etwa 25 Trainees für einen Einstieg bis September 2011, und zwar für das
Privatkundengeschäft, für Group Technology und für Asset Management.
Zusätzlich stellen wir in Deutschland jedes Jahr rund 600 junge Frauen und
Männer als Auszubildende ein. Berufserfahrene Mitarbeiter unterschiedlicher
Karrierestufen rekrutiert die Deutsche Bank je nach Bedarf, genaue Angaben
dazu machte Kirn nicht. Bei der Vergütung orientiert sich das Institut an der
Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und dem Wettbewerb. Generell gilt
für das Vergütungssystem: mehr fix im Verhältnis zu variabel, Boni werden über
mehrere Jahre gestreckt, ein größerer Anteil der Boni wird in Form von Aktien
gezahlt, die Bank hat Claw-Back-Klauseln zur Rückforderung von Boni, zahlt
keine Garantie-Boni und achtet generell auf eine Entkoppelung von
Risikobereitschaft und Vergütung.

Umbau der Bankenlandschaft bringt Jobs bei Beratungen

Die Umstrukturierungen und Fusionen bei den Banken sorgen in der
Beratungsbranche für hohen Personalbedarf. Das berichten Aleksander
Montalbetti vom Frankfurter Executive Search-Unternehmen Montalbetti
Associates und Verena van de Weyer von der Frankfurter Executive Search-
Firma Fricke Finance & Legal
. Den Angaben nach profitieren alle Sparten der
Beraterbranche. Strategieberatungen ebenso wie eher technologie-orientierte
Berater suchen zum Teil händeringend nach neuem Personal. Gefragt sind vor
allem Senior Berater und Projektleiter mit Berufserfahrung von vier bis acht
Jahren, inhaltlich sind Controlling, regulatorische Themen, Steuern und Capital
Markets, sowie die Implementierung bzw. Integration von IT-Systemen und die
Optimierung von Arbeitsprozessen gefragt.

Auch Konstantin A. Werner, Director bei Michael Page International in Frankfurt,
sieht großen Personalbedarf, insbesondere in den Bereichen
Finance/Controlling, HR und im Ingenieurbereich. Und zwar auch interim über
die gesamte Wertschöpfungskette, sogar Marketingpositionen sind aktuell stark
nachgefragt, sagt Werner. Die Personalbudgets in der Finanzbranche sind durch
den generell knappen Expertenmarkt, weitere Internationalisierung und etliche
Integrationsaufgaben wie etwa bei Commerzbank und Dresdner Bank sowohl für
Festanstellungen als auch für Freelancereinsätze gestiegen. Diese Post-Merger-
Situationen sorgten für eine sehr hohe Nachfrage nach IT-Kräften. In den
internen Bereichen wie etwa Risk Management oder Advisory werde verstärkt
auf Industrie- und Bankenseite eingestellt, auch bei Beratungsgesellschaften.
Der Grund dafür sind die herrschenden politischen, ökonomische und
Finanzrisiken, erklärt Werner. Im Bereich Sales hätten derzeit sowohl erfahrene
Experten mit entsprechenden Honorarvorstellungen als auch der hungrige
Nachwuchs Chancen. Das ist sehr branchenspezifisch. Neue, dynamische
Industrien bevorzugen karrierebewusste Young Professionals. Etablierte
Unternehmen möchten häufig eine heterogene Teamkonstellation erreichen.
Erfahrene Mitarbeiter bringen häufig ein belastbares Netzwerk mit, wechseln
allerdings auch eher nur bei einem tatschlichen Gehaltssprung. Generell
tendieren Unternehmen außerhalb des klassischen Private Equity Umfelds
derzeit zu höheren Fixgehältern und angepassten Boni, so die Erfahrungen von
Werner. Das gilt sogar für namhafte deutsche Banken, fügt er hinzu.

Sparkassen und Versicherungswirtschaft weitgehend stabil

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband erwartet für 2011 und 2012 eine
stabile Entwicklung im Personalbereich mit weitere Stärkung des
Vertriebssektors. Fr die Landesbanken sei eine Tendenzaussage allerdings nicht
möglich, so der Verband weiter, da die Entwicklung in den einzelnen Instituten
unterschiedlich verlaufen werde: Teils steht die Konsolidierung im Vordergrund,
teils gibt es stabile Entwicklungen bis zu moderatem Ausbau. Bei den deutschen
Erst- und Rückversicherern ist nach Auskunft von Dr. Michael Gold,
Geschäftsführer beim Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in
Deutschland für 2011 mit einem leichten Rückgang der Beschäftigung im
Innendienst zu rechnen, während beim angestellten Auendienst per Saldo eine
schwarze Null zu erwarten ist. Für 2011 planen die Unternehmen erneut eine
Ausweitung ihrer Ausbildungsaktivitäten, vorausgesetzt sie schaffen es, den
Großteil der angebotenen Ausbildungsplätze zu besetzen, was bereits 2010 in
einigen Regionen problematisch war.

Die Versicherer suchen demnach in den Bereichen Risikomanagement,
Controlling, Rechnungslegung, Compliance, IT sowie Produktentwicklung
überdurchschnittlich viele neue Mitarbeiter. Auch Mitarbeiter mit Interesse am
Vertrieb und mit hoher Kundenorientierung haben nach Meinung von Dr. Gold
sehr gute Einstiegschancen in der Branche. Von Kürzungen betroffen seien
insbesondere die Bereiche, in denen Abläufe zunehmend standardisiert und
automatisiert werden. Zugleich werde der Arbeitsmarkt in der
Versicherungsbranche in bestimmten Bereichen bereits durch deutlichen
Fachkräftemangel geprägt. Aktuare und Mathematiker werden teilweise
händeringend gesucht, sagt Gold.

Der demografische Wandel werde vor der Versicherungswirtschaft nicht halt
machen, die Gewinnung geeigneter Nachwuchskräfte (Auszubildende und
Hochschulabsolventen) stelle die Unternehmen vor eine zunehmende
Herausforderung.

Neue Bankenkrise am Horizont?

Ein warnender Ausblick in die Zukunft kommt von Senior Research Fellow Dr.
Dirk Rudolph von der Frankfurt School of Finance & Management (FSFM)
obwohl der von ihm herausgegebene Arbeitsmarktindex Frax gerade neue
Höchststände erklimmt. Vor allem die Institute, die klassisches Banking betreiben
also Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind gut durch die Krise
gekommen, sagt der Wissenschaftler. Allerdings seien die Aussichten derzeit
insgesamt sehr unklar trotz des aktuell guten Arbeitsmarktes. Viele offene
Stellen klingt erst einmal gut, so Rudolph, aber ob die auch wirklich alle besetzt
werden ist noch nicht raus. Wenn es 2011 kein großes Erdbeben im
Finanzbereich gibt, insbesondere wenn die USA ihre Verschuldung in den Griff
bekommen, dann werde 2011 wohl mit einem Plus bei den Stellen enden. Die
Aussichten darüber hinaus aber seien sehr unsicher: Solange einige der Banken
in extrem risikoreiche Staatspapiere investieren, sind Prognosen zu ihrer
Geschäfts- und Beschäftigungsentwicklung kaum möglich. Einige Banken haben
offenbar zu wenig aus der letzten Bankenkrise gelernt. Und da es kaum
unabhängige Ursachenanalysen gibt, steht uns vermutlich die nächste
Bankenkrise bald ins Haus, fürchtet Rudolph. Ob die noch 2011 oder erst 2012
oder 2013 komme, lasse sich derzeit kaum abschätzen. Aber eines sei klar: Mit
einer Verzögerung von ein paar Monaten macht sich das dann auch am
Arbeitsmarkt bemerkbar, weiß der Wissenschaftler.

Derzeit aber brummt der Arbeitsmarkt in der Finanzindustrie. Der
Arbeitsmarktindex Frax von Rudolph misst seit Juli 2007 monatlich die
Veränderung der offenen Stellen bei deutschen Banken, indem er die
Veröffentlichungen in spezialisierten Jobbörsen darunter auch
eFinancialCareers zählt. Rudolph berichtet aktuell von einer sehr guten
Arbeitsmarktsituation, der Mai-Indikator für den April ist auf über 120 Punkte
gestiegen der höchste Wert seit Einführung und fast doppelt so hoch wie der
Tiefststand im März 2009. Der Indikator für den Mai wird Mitte Juni veröffentlicht,
laut Rudolph zeichnet sich aber bereits ab, dass es weiter viele offene Stellen in
der Branche gibt. Seit November 2010 legt der Frax kontinuierlich zu.
Insbesondere seit Februar steigt er sehr stark und signalisiert eine deutliche
Erholung. Alleine im Februar ist er um 20 Prozent gegenüber dem Vormonat
gestiegen der höchste Anstieg offener Stellen im Finanzbereich seit Start des
Indikators.

Fazit Licht und Schatten

Der Arbeitsmarkt in der Finanzbranche lässt sich derzeit nicht mit einer einzigen
Bewertung fassen. Trotz vielerorts wieder guter Geschäftszahlen sorgen
Strukturanpassungen und Merger weiter für Stellenabbau. Andererseits gibt es
aber auch Bereiche im Arbeitsmarkt, die genau davon profitieren. Und Banken
wie Versicherer setzen weiter auf den Nachwuchs, bilden aus und sind teils
sogar händeringend auf der Suche nach den passenden Bewerbern. Und auch
nach erfahrenen Kräften mit dem passenden Profil. Dass weiterhin hohe Risiken
bestehen spiegelt sich nicht zuletzt in den täglichen Nachrichten aber wer genau
hinsieht und gut positioniert ist kann, das zeigen die Aussagen von Praktikern,
sich behaupten und profitieren.